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Rosen für die Soldaten Viele meiner Freunde sind tot oder verschwunden. Aber die syrischen Proteste


Es ist erstaunlich, wie sehr man sich an ein heimatloses Dasein gewöhnen kann. Nach sieben Monaten auf der Flucht habe ich das Gefühl, nirgends hinzugehören. Es scheint mir fast normal zu sein, meine persönlichen Dinge verloren zu haben und nur mit dem Nötigsten von Versteck zu Versteck zu ziehen. Es sind die menschlichen Verluste, die nicht zu ertragen sind.

Viele Aktivisten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind in den vergangenen Wochen verhaftet worden. Jeder kann jederzeit mitgenommen oder verschleppt werden: Aktivisten, Demonstranten, aber auch ganz normale Leute oder Angehörige von gesuchten Personen. Und das Schlimme ist, dass wir nicht wissen, ob wir die Verhafteten je lebend wiedersehen. Die Zahl der zu Tode Gefolterten oder jener, die gleich nach der Verhaftung getötet werden, wird immer größer.

Die Sicherheitskräfte können es nur schwer ertragen, wenn ihnen jemand ohne Angst in die Augen schaut und sich ihren Befehlen verweigert, schlicht Nein sagt. Sie waren es gewohnt, das Volk mit Verhaftungen zum Schweigen zu bringen. Seit dem Beginn der Revolution funktioniert das nicht mehr. Deshalb versuchen die Regierungskräfte jetzt, die Furcht wiederherzustellen, mit anderen Methoden: Sie reagieren auf den Ungehorsam mit blanker Gewalt.

Ich fühle mich schuldig, wenn ich aus der Menge derer, die diese Gewalt ertragen müssen, Einzelne herausgreife. Aber natürlich denke ich besonders intensiv an die Menschen, die ich persönlich kenne, die ich liebe und an die ich glaube. An Yahya Shurbaji zum Beispiel, einen der wunderbarsten Menschen, die ich je getroffen habe. Er weiß, dass es nicht genug ist, allein das Regime zu verändern, sondern dass auch wir, das Volk, uns ändern müssen. Ich habe nur selten Menschen getroffen, die so rückhaltlos ihr eigenes Verhalten hinterfragen und deren persönliches Leben genauso aufrecht und ehrlich ist wie ihr politisches Leben.

Ich sorge mich um Yahya, seit er vor mehr als einem Monat verhaftet wurde, ich bange um seine Unversehrtheit, aber auch darum, was sein wird, wenn er freikommt und eine Welt vorfindet, die nicht mehr dieselbe ist. Wenn er erfährt, dass sein Freund Ghiyath Matar, ungefähr zur selben Zeit verhaftet wie er, den Arrest keine Woche überlebt hat. Dass Ghiyaths geschundener Körper vier Tage nach seiner Verhaftung seinen Eltern übergeben wurde.

Ich selbst werde den Moment nie vergessen, in dem ich von Ghiyaths Tod erfahren habe. Ich hatte kurz mein Versteck verlassen, als ich zurückkam, warteten Freunde auf mich, wir wollten zusammen essen. Einer begrüßte mich mit den Worten: »Hast du von dem Aktivisten gehört, der zu Tode gefoltert wurde? Er heißt Ghiyath Matar.« Er wusste nicht, dass ich Ghiyath kenne. Nichts in dieser Welt kann seinen Tod rechtfertigen.

Vor der Revolution war Ghiyath nicht an Politik interessiert. Aber dann wurde er einer der aktivsten Demonstranten und der vehementeste Verfechter des gewaltlosen Protests. Er entdeckte durch die Revolution eine neue Seite an sich: sein Talent, andere zu inspirieren. Er hatte die Idee, die Soldaten mit Rosen und Trinkwasser zu begrüßen. Eine Botschaft der Liebe, der Toleranz und der Freiheit an die, die ihn und seine Freunde töten sollten. Man stelle sich das vor: Die Armee rückt schwer bewaffnet ein – und ein junger Mann übergibt ihnen Rosen. Ich bin mir sicher, das hat die Soldaten nicht kaltgelassen. Vielleicht lagen sie nachts schlaflos da und fragten sich: Warum müssen wir diese jungen Menschen, die uns Rosen überreichen, töten? Für ein Regime sind das gefährliche Gedanken. Solche Gedanken wollte das Regime töten, indem es Ghiyath tötete.

Ich verstehe, dass in dieser Situation mehr und mehr Stimmen laut werden, die fordern, dass die Revolution sich bewaffnen müsse. Die zunehmende Gewalt des Regimes, die zögerliche Haltung der internationalen Gemeinschaft, die Schwierigkeiten der Opposition, sich zu einigen – all das frustriert die Menschen auf der Straße: Sie bringen große Opfer, aber sehen wenig Fortschritt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Revolution überwiegend friedlich bleiben muss. Das Regime wird stürzen – aber wie wir es stürzen, wird großen Einfluss darauf haben, wie das neue Syrien aussehen wird, was für eine Zukunft wir haben.

Diese Woche haben sich in Istanbul die syrischen Oppositionsgruppen zu einem Nationalen Rat zusammengetan. Das war ein sehr wichtiger Schritt, auf den die Menschen lange gewartet haben. Es war deprimierend zuzusehen, wie sich die verschiedenen Akteure monatelang nicht einigen konnten. Der Rat repräsentiert ein breites Spektrum der syrischen Gesellschaft, das hat die positive Reaktion im Land gezeigt. Die Menschen sind auf die Straße gelaufen, haben gefeiert und getanzt. Auch ich habe zum ersten Mal seit Monaten mit meinen Freunden gelacht.

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